Militärischer Kulturgüterschutz im Katastrophenfall?
Ein Bericht von Hptm Mag. Dr. Anna Maria Kaiser, Offz für ÖA beim StbB 3
Bei einer Großübung mit rund 350 Einsatzkräften von Feuerwehr, Rotem Kreuz und Polizei am 18. November 2017 im Stift Göttweig konnte das Kulturgüterschutzpersonal des Militärkommandos Niederösterreich zeigen, dass dem militärischen Kulturgüterschutz auch in zivilen Katastrophenfällen große Bedeutung zukommt.
Kulturgüter sind bewegliche und unbewegliche Güter, die in ihrer Gesamtheit das kulturelle Erbe eines Volkes, aber auch der gesamten Menschheit darstellen. Dazu zählen etwa historische Bauwerke, weltliche und sakrale Gegenstände, Bibliotheken, Museen und Archive.
Dabei wird zwischen beweglichen und unbeweglichen Kulturgütern unterschieden. Kulturgüter stehen unter dem besonderen Schutz des Haager Abkommens zum Schutz von Kulturgut in bewaffneten Konflikten aus dem Jahr 1954 und sind in Europa heute weniger durch Kriege oder gezielte, terroristische Zerstörungen bedroht, als durch Naturkatastrophen wie Hochwasser oder Feuer. Als Schutzzeichen ist im Haager Abkommen aus dem Jahr 1954 das blau-weiße Schild, wie es auf der in Österreich mannigfach an Gebäuden angebrachten Plakette zu sehen ist, definiert. Als Signatarstaat des Haager Abkommens zum Schutz von Kulturgut in bewaffneten Konflikten hat Österreich die Pflicht, im Bundesheer Fachpersonal für den Schutz von Kulturgütern abzubilden.
Diese Verbindungsoffziere und Militärexperten für militärischen Kulturgüterschutz sind in den einzelnen Bundesländern an den Militärkommanden angesiedelt und treffen bereits im Frieden, noch vor dem Eintritt einer Katastrophe oder Bedrohung, Maßnahmen zum Schutz der in ihrem Verantwortungsbereich liegenden Kulturgüter. Das Benediktinerstift Göttweig ist eines der 34 Kulturgüter unter dem Schutz des Haager Abkommens in Niederösterreich; damit bildete die Großübung am 18. November 2017 ein ideales Szenario, den militärischen Kulturgüterschutz zum ersten Mal in einer zivilen Katastrophenlage zu testen.
Annahme der Übung im Stift Göttweig war, dass bei Bauarbeiten im Zuge einer Renovierung ein tragender Teil der Bausubstanz beschädigt wurde und ein Bereich des Stiftes einstürzte, dabei wurden Bauarbeiter teils schwer verletzt.
Staub und Rauch breiteten sich auch in den Ausstellungsräumen des Museums aus, Besucher gerieten in Panik und mussten evakuiert werden. Selbstverständlich sind auch im Kulturgüterschutz Menschenleben wertvoller als jedes Kunstwerk, doch können gewisse Maßnahmen bereits vor dem Eintreten von Katastrophen getroffen werden, die die Bergung von Kulturgütern im Bedarfsfall erleichtern.
So wurden im Vorfeld mit den Verantwortlichen des Stiftes es eine auf die Übung abgestimmte Prioritätenreihung sowie Notfallpläne speziell für die zu verbringenden Kunstwerke erstellt. Nach dem Eintreffen des Kulturgüterschutzpersonals am Schadensort nahm der Einsatzleiter Kulturgüterschutz mit dem Einsatzleiter der Feuerwehr Kontakt auf, um das Schadensausmaß zu eruieren und die Freigabe für betroffene Räumlichkeiten mit zu evakuierenden Kulturgütern zu erhalten. Nachdem sämtliche Personen aus dem Gefahrenbereich gerettet worden waren, konnte die Feuerwehr auch die Bergung der rund fünfzig wertvollen Bücher, Archivalien, Gemälde und Ausstellungsstücke aus zwei im Rahmen der Übung betroffenen Räumen unterstützen.
Die Kunstgegenstände wurden unter Anleitung des Kulturgüterschutz- sowie des stiftsinternen Museumspersonals fachgerecht geborgen und über im Vorhinein festgelegte Wege in die zwischenzeitlich errichtete Kulturgütersammelstelle verbracht, wo sie inventarisiert, auf Schäden untersucht und für einen Weitertransport, so dieser notwendig werden sollte, vorbereitet wurden.
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Fotocredit: Fotos 1; 3-8: FF Steinaweg, Foto 2: A.Kaiser